Gesunde Energie statt Zuckerspitzen
Du willst weniger Getreide füttern – aber trotzdem genug, gleichmäßige Energie? Dann sind hoch fermentierbare Fasern (z. B. Rübenschnitzel, Sojaschalen, Hanfschalen) eine clevere Option. Hier erfährst du, was dahinter steckt und wie du Schritt für Schritt umstellst – sicher und praxistauglich.
kurz gesagt
Warum Ballaststoffe so wichtig sind
Ballaststoffe (Rohfaser) sind die Grundlage jeder Pferderation:
- Mikrobiom & pH: Fasern werden im Blind- und Dickdarm von Mikroben zu flüchtigen Fettsäuren (VFA) fermentiert. Das hält den pH stabil und beugt Dysbiose, Acidose, Koliken, „Leaky Gut“ und Hufrehe-Risiken vor.
- Kauen & Zähne: Raufutter sorgt für gleichmäßigen Zahnabrieb.
- Speichel als Schutz: Langes Kauen = viel Speichel. Pferdespeichel enthält Bicarbonat, das Magensäure puffert – wichtig zur Magengeschwür-Prävention.
- Bessere Futterverwertung: Ausreichend Faser verbessert die Verdaulichkeit der gesamten Ration.
Merke: Ohne genug Faser kippt das System – erst der Darm, dann der „Rest des Pferdes“.
Faustregel: Täglich mind. 1,5 % KGW an kaufähigem Raufutter (= 1,5 kg je 100 kg Körpergewicht), gerne mehr, wenn das Gewicht passt.
Das Dilemma der Energiedichte
- Heu: im Schnitt 7–9 MJ DE pro kg TS (Trockensubstanz). Empfohlen: 1,5–2 kg Heu je 100 kg KGW für Verdauung & Grundenergie.
- Getreide (Hafer, Gerste, Mais): meist 12–15 MJ DE pro kg TS – also deutlich energiereicher.
Konflikt: Steigt der Energiebedarf (z. B. mehr Training), reicht Heu allein oft nicht. Klassisch wird Getreide ergänzt – damit steigen aber Zucker- und Stärkemengen.
Die Risiken von (zu viel) Getreide
- Schnelle Verdauung im Magen/Dünndarm → Zuckerspitzen und starke Insulinantwort.
- Stärkeüberschuss rutscht in den Dickdarm → Milchsäurebildung, pH-Abfall.
- Gute Faser-Mikroben sterben ab, setzen Endotoxine frei → Kolik-/Rehe-Risiko, Dysbiose, „Leaky Gut“.
- Langfristig: höhere Wahrscheinlichkeit für IR/EMS, Hufrehe, Probleme im Immunsystem.
Kurz: Getreide kann helfen – zu viel davon belastet den Verdauungsapparat und die Stoffwechselgesundheit.
Die Lösung: hoch fermentierbare Fasern
Ziel: Energiedichte erhöhen, ohne die Zucker-/Stärkeproblematik von Getreide.
Weg: Hoch fermentierbare Fasern (HF-Fasern) – spezielle Faserträger, die Mikroben sehr gut vergären können. Ergebnis: mehr VFA-Energie, ruhiger Blutzucker, stabiler Darm.
Was sind hoch fermentierbare Fasern?
- Komplexe Kohlenhydrate mit viel Zellulose, Hemicellulose, Pektin
- Wenig Lignin (der unvergärbare „Holzanteil“) → besser fermentierbar
- Reich an Nicht-Stärke-Polysacchariden (NSP) → werden nicht im Dünndarm, sondern im Dickdarm zu VFA vergoren
- VFA (Acetat, Propionat, Butyrat) sind beim Pferd eine Hauptenergiequelle – ohne starke Insulinspitzen
Wichtig: VFA liefern gleichmäßige Energie für Muskeln, Gehirn und Ausdauer – genau das, was viele Reitpferde brauchen.
Arten & Praxisbeispiele
Heulage (nur in Top-Qualität)
- Plus: faserreich, schmackhaft, oft staubärmer.
- Achte auf: Hygiene, TS-Gehalt, passende Silierung.
- Für wen: Staubempfindliche, schlechte Fresser – wenn Qualität gesichert ist.
Zuckerrübenschnitzel (melassefrei bevorzugt)
- Plus: sehr gut fermentierbar, niedriger Zucker, gute Wasserbindung (Magen-Darm „Schwamm“).
- So füttern: Immer einweichen (ca. 1:3–1:5 trocken:Wasser), langsam steigern.
Sojaschalen
- Plus: energiereiche Faser, ergänzt die Ration gut.
- Achte auf: Gesamt-Eiweißbilanz der Ration.
Müsli/Strukturfutter (strukturreich, zuckerarm wählen)
- Plus: verlängert Fresszeit, fördert Kauen & Speichel.
- Achte auf: Zucker/Stärke-Gehalte, Zutatenliste.
Hanfschalen (auf dem Vormarsch)
- Profil: > 30 % Rohfaser, sehr wenig Zucker/Stärke, relevanter Eiweiß- & Fettanteil.
- Potenzial: hohe Energiedichte aus Faser + Fett; langsam anfüttern, Wasseraufnahme beachten.
- Limit: wegen antinutritiver Faktoren im Regelfall ≤ 10 % der Gesamtration halten und Verträglichkeit beobachten.
Hinweis: Angaben zur DE (verdaulichen Energie) von HF-Fasern schwanken zwischen Quellen. Wichtig ist die Praxiswirkung: Viele Pferde kommen mit HF-Faser-Rationen leistungsfähig und magenschonend aus – mit weniger Stärke/Zucker.
Warum hochfermentierbare Fasern in der Leistung helfen
- Konstante Energie über VFA – ideal für lange Ritte/Ausdauer.
- Wasserspeicher-Effekt im Darm – kann bei Dehydrierungsrisiko unterstützen.
- Stoffwechsel-freundlich: sinnvoll bei IR/EMS, Hufrehe-Neigung, PSSM und Kreuzverschlag-Themen (immer individuell prüfen).
Richtwerte zum Einstieg (allgemein, je 100 kg KGW/Tag)
Futter (trocken) | Start | Erhalt | Maximal | Hinweise |
---|---|---|---|---|
Rübenschnitzel (melassefrei) | 50–100 g | 150–300 g | ~400 g | Einweichen 1:3–1:5; langsam steigern. |
Sojaschalen | 50–100 g | 150–250 g | ~300 g | Eiweißbilanz der Gesamtration beachten. |
Hanfschalen | 20–50 g | 80–120 g | ~150 g | Wasseraufnahme, individuell testen. |
Richtwerte, keine Heilaussagen. Jede Ration bitte individuell anpassen; bei Vorerkrankungen Tierärzt:in/Ernährungsberatung einbeziehen.
Beispiel (600 kg Wallach, moderates Training):
- Heu ad libitum
- 1,0–1,2 kg Rübenschnitzel (trocken, eingeweicht)
- 0,3–0,5 kg Sojaschalen
- Mineralfutter, Salz; bei Bedarf 30–60 ml Öl/Tag
- Getreide schrittweise reduzieren
Sicher umstellen – so gehst du vor (How-to)
- Ist-Ration prüfen: Heuqualität, Gewicht (Rippen-Check), Arbeitspensum, Vorerkrankungen.
- Langsam einschleichen: über 7–14 Tage, alle 2–3 Tage leicht erhöhen, nur wenn es gut läuft.
- Getreide senken: Parallel Stärke/Zucker reduzieren, Mineral & Salz nachziehen.
- Beobachten: Kotbild, Appetit, Verhalten, Schweiß, Trinkmenge.
- Feintuning: Öl/Eiweiß nach Bedarf, Portionsgrößen auf 2–3 Gaben verteilen.
Häufige Fragen (FAQ)
Was ist „NSP“?
Nicht-Stärke-Polysaccharide – komplexe Kohlenhydrate (z. B. Pektin, Hemicellulose), die nicht im Dünndarm verdaut, sondern im Dickdarm fermentiert werden. Sie sind Futter für Darmmikroben und fördern pH-Stabilität und VFA-Energie.
Was bedeutet „DE-Wert“?
Digestible Energy = verdauliche Energie. Sie misst, wie viel Energie aus einem Futter dem Pferd tatsächlich zur Verfügung steht (Gesamtenergie minus Energie im Kot). Ein höherer DE-Wert = energiedichteres Futter.
Was genau ist Heulage?
Gras wird weniger stark getrocknet als Heu, dann luftdicht gewickelt und fermentiert. Ergebnis: oft schmackhaft, staubärmer. Wichtig: nur hygienisch einwandfreie Heulage füttern (TS-Gehalt, Silagequalität prüfen).
Können HF-Fasern Getreide komplett ersetzen?
Je nach Pferd & Arbeit oft zu großen Teilen ja. In Sportspitzen kann etwas Öl/zusätzliche Energie nötig sein. Individuell entscheiden.
Macht das „heiß“?
Meist nein. VFA-Energie wirkt gleichmäßiger als Zucker-/Stärkespitzen. Viele Pferde werden konzentrierter statt „zappelig“.
Was, wenn Kotwasser auftritt?
Tempo rausnehmen, Mengen kleiner staffeln, Wasser anbieten, Heuqualität checken. Hält es an → abklären lassen.
Warnhinweise & Good Practice
- IR/EMS/Hufrehe: konsequent zucker-/stärkearm, melassefrei wählen, langsam steigern.
- Kolikvorgeschichte: extra behutsam einschleichen; ausreichend Wasser.
- Zahnprobleme/Senioren: eingeweichte Fasern bevorzugen.
- Mineralstoff-Balance: Getreide runter ≠ Mineralien egal. Mineral + Salz passen!
- Hanfschalen: wegen antinutritiver Faktoren moderat dosieren (regelmäßig ≤ 10 % der Gesamtration), individuell testen.
Mini-Checkliste: Passt das zu uns?
- Mein Pferd braucht mehr Energie – aber weniger Zucker/Stärke.
- Ich kann 7–14 Tage langsam umstellen und beobachten.
- Ich habe Zugang zu melassefreien Rübenschnitzeln/Sojaschalen/Hanfschalen in guter Qualität.
- Mineral & Salz sind eingeplant; bei Bedarf Öl/Eiweiß.
- Bei Vorerkrankungen hole ich Fachrat.
Empfehlung
Mit hoch fermentierbaren Fasern erhöhst du die Energiedichte, schonst den Darm und hältst Zucker/Stärke in Schach. Baue sie langsam ein, beobachte dein Pferd und justiere individuell. So bleibst du nah an der Natur des Pferdes – und kommst trotzdem leistungsfähig durchs Training.
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Text: Gerda Steinfellner · Aktualisiert am: 2025-10-10
Kleine Begriffsklärung (Glossar)
- TS (Trockensubstanz): Futter ohne Wasseranteil. Werte wie MJ DE/kg TS beziehen sich darauf.
- VFA: flüchtige Fettsäuren (Acetat, Propionat, Butyrat) – Energie aus Faserfermentation.
- Dysbiose: Ungleichgewicht der Darmmikroben; fördert Verdauungs-/Stoffwechselprobleme.
FAQ: Hoch fermentierbare Fasern – für dich & dein Pferd (10× praxisnah)
Kurz & klar, ohne Fachkauderwelsch. Für private Pferdehalter:innen in DE/AT.
1) Woran merke ich, dass mein Pferd von mehr Faser (statt Getreide) profitieren könnte?
Typische Signale: „heiß“ nach Kraftfutter, schwankende Energie, empfindlicher Magen/Darm (Kotwasser, Blähungen), Hufrehe-/IR-Vorgeschichte oder einfach zu viel „Bauch“ trotz Arbeit. Wenn du Getreide reduzierst und Faser + Mineral + Salz sauber einstellst, werden viele Pferde ruhiger, konstanter und vertragen das Training besser.
2) Wie starte ich konkret – ohne Verdauungsstress?
Beginne 7–14 Tage langsam:
- Tag 1–3: 50–100 g Rübenschnitzel/100 kg KGW (trocken, eingeweicht).
- Dann alle 2–3 Tage leicht steigern.
- Parallel das Getreide schrittweise senken.
Beobachte Kotbild, Appetit, Verhalten. Passt’s → weiter. Probleme → Tempo rausnehmen.
3) Muss ich Rübenschnitzel immer einweichen? Wie lange und wie viel Wasser?
Ja. Sicher und bekömmlich ist: 1 Teil trocken : 3–5 Teile Wasser.
- Lauwarme Jahreszeit: 30–60 Min.
- Winter: mit warmem Wasser übergießen (Quellzeit verkürzt sich).
Restwasser darf mit gefüttert werden. Keine alten „Suppen“ am nächsten Tag!
4) Welche Mengen sind alltagstauglich – ohne Waage-Panik?
Richtwerte pro 100 kg Körpergewicht (KGW) & Tag (trocken):
- Rübenschnitzel: Start 50–100 g · Erhalt 150–300 g · Max. ~400 g
- Sojaschalen: Start 50–100 g · Erhalt 150–250 g · Max. ~300 g
- Hanfschalen: Start 20–50 g · Erhalt 80–120 g · Max. ~150 g
Richtwerte, individuell anpassen. Bei Vorerkrankungen bitte Tierärzt:in einbeziehen.
5) Mein Pferd ist wählerisch – wie gewöhne ich es an den Geschmack/ die Textur?
Miniportionen, lauwarm einweichen, mit Heucobs oder einer Prise Apfeltrester starten. Erst nur als Topping über’s Krippenfutter, dann Menge steigern. Immer frisch, gut riechend – sonst rümpfen viele die Nüstern.
6) Passt das auch für IR/EMS/Hufrehe-Pferde?
Oft besonders sinnvoll, weil zucker-/stärkearm. Wichtig: melassefreie Rübenschnitzel wählen, Mengen langsam erhöhen, Gewicht eng beobachten, Bewegung einplanen. Medikamente/Diagnosen → Therapieteam (Tierärzt:in) einbinden.
7) Wie kombiniere ich Faser mit Öl & Eiweiß – ohne zu „überladen“?
- Ziel: Energiedichte, aber ruhige Energie.
- Öl: bei Bedarf 5–10 ml/100 kg KGW/Tag, langsam einschleichen.
- Eiweiß (z. B. Hanfschrot/-protein): an Arbeit & Heuqualität anpassen (Senioren/Muskelaufbau profitieren oft).
- Mineral + Salz: Pflicht, sobald du Getreide reduzierst – sonst fehlen Spurenelemente/Elektrolyte.
8) Kotwasser – wird das mit HF-Fasern besser oder schlechter?
Meist besser, weil die Darmflora ruhiger arbeitet und Wasser gebunden wird. Tritt Kotwasser neu auf: Mengen kleiner staffeln, langsamer steigern, Heuqualität checken, ausreichend Wasser anbieten. Hält es an → abklären lassen.
9) Was sind typische Fehler bei der Umstellung?
- Zu schnell zu viel.
- Nicht einweichen (Rübenschnitzel!).
- Mineral/Salz vergessen nach Getreidereduktion.
- Nur eine große Portion statt 2–3 kleiner Gaben.
- Heulage-Qualität nicht geprüft (Hygiene!).
Lösung: Tempo drosseln, Basics sauber aufstellen, Qualität vor Quantität.
10) Reicht Heu + hochfermentierbare Fasern auch für den Sport? Oder brauche ich doch Getreide?
Für viele Trainingslevel ja – die VFA-Energie aus HF-Fasern ist konstant und magenfreundlich. In Spitzenphasen kannst du gezielt ergänzen: etwas Öl, ggf. mehr Faser (Sojaschalen/Rübenschnitzel), Elektrolyte nach starkem Schwitzen. Nur wenn die Leistung trotzdem nicht reicht, über kleine getreidearme Alternativen nachdenken – immer individuell testen.
Sicherheit: Dieser FAQ ersetzt keine tierärztliche Beratung. Keine Heilversprechen. Mengen sind Richtwerte – bitte auf dein Pferd, Arbeit und Heuqualität anpassen.